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Eis der Arktis schmilzt dieses Jahr besonders stark

11.12.2020 14:31 207 Rezension
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Seit mehr als 40 Jahren beobachten Forscher mit Satelliten die Ausdehnung des Eises in der Arktis. Am geringsten ist die Fläche des Eises traditionell am Ende des Sommers.

 

In diesem Jahr liegt die Ausdehnung des Eises nun auf dem zweitniedrigsten Wert seit Start der Messungen. Aktuellen Satellitenaufnahmen zufolge bedeckten die Schollen am Ende der zweiten Septemberwoche nur noch eine Fläche von 3,8 Millionen Quadratkilometern. Noch niedriger lag der Wert nur am Ende des Sommers 2012. Damals waren nach Angaben der Universität Bremen sogar nur noch 3,27 Millionen Quadratkilometer übrig geblieben. Damit sind 2020 und 2012 überhaupt die einzigen Jahre, in denen die Eisausdehnung unter 4 Millionen Quadratkilometern lag.

 

Die Arktis erwärmt sich seit rund drei Jahrzehnten etwa doppelt so schnell wie alle anderen Regionen der Erde. Das verändert die Ökosysteme der Region massiv und bringt zum Beispiel für Eisbären und Robben Probleme. Für das jeweilige Ausmaß des Eisverlustes gibt es in den Jahren aber immer auch individuelle Gründe. In diesem Jahr spielten mehrere Faktoren eine Rolle: Zum einen, so heißt es beim Alfred-Wegener-Institut (AWI) in Bremerhaven, sei im zurückliegenden Winter in den russischen Randmeeren überwiegend dünnes Meereis gebildet worden. Dieses sei dann im Frühling schnell geschmolzen.

 

Wärme setzte dem Eis von oben und unten zu: Zum anderen war es in diesem Jahr in der Arktis vielerorts auch besonders heiß. Wärmewellen setzten dem Eis sowohl von oben als auch von unten zu und ließen es großflächig verschwinden. "Diese Wärme schmolz zunächst das dünne Meereis in der Laptewsee, anschließend beschleunigte sie den Rückzug des Eises in der Ostsibirischen See, sodass die russische Arktis bereits im Juni dieses Jahres rund eine Million Quadratkilometer weniger Meereis aufwies als in den sieben Jahren zuvor", so AWI-Meereis-Physiker Christian Haas.

 

Im Juli war eine Wärmezelle dann in die zentrale Arktis gewandert. Dort hatte sie die Lufttemperaturen bis zu sechs Grad Celsius über das Langzeitmittel der Jahre 1981 bis 2010 steigen lassen. Die hohen Temperaturen spielten auch eine entscheidende Rolle bei der Ausbreitung von Waldbränden auf dem arktischen Festland, vor allem in Sibirien. Zum Schwinden des Meereises trug auch ein schwerer Sturm in der kanadischen Arktis bei. Dieser hatte das im Ozean treibende Meereis großflächig verteilt. Viele der Schollen schmolzen anschließend innerhalb kurzer Zeit.

 

Das Eis hat eine helle Oberfläche, dadurch wird ein Großteil des Sonnenlichts reflektiert. Wenn aber, etwa durch einen Sturm, die Wasseroberfläche frei liegt, ist diese viel dunkler. Statt zurückgeworfen zu werden, wird ein guter Teil der einströmenden Energie gespeichert - und trägt zum Abschmelzen weiterer Schollen bei. Dadurch entsteht eine Art Teufelskreis. Die Meeresoberflächentemperatur in den russischen Randmeeren sowie in der Barentssee und der Tschuktschensee lag laut AWI bis zu 4,5 Grad über dem Langzeitmittel.

 

Das dünne Eis bemerkte auch die Crew des Forschungseisbrechers "Polarstern". Ganz zum Ende der einjährigen Driftexpedition "Mosaic" hatte das Schiff einen Abstecher zum Nordpol gemacht – durch extrem dünnes Eis verlief die Fahrt deutlich schneller als gedacht. Man habe dabei "weite Bereiche offenen Wassers fast bis zum Pol, umgeben von Eis, welches durch massives Schmelzen völlig durchlöchert war" gesehen, so Expeditionsleiter Markus Rex. "Das Eis der Arktis schwindet in dramatischer Geschwindigkeit." Inzwischen ist die "Polarstern" wieder auf dem Weg nach Hause.

 

Riesiger Eisabbruch in Grönland: Da die Schollen des Arktiseises auf dem Wasser schwimmen, tragen sie nicht zum globalen Meeresspiegelanstieg bei. Anders ist das, wenn etwa von den Gletschern auf den kanadischen Inseln, aber vor allem auf Grönland mehr Eis ins Meer gelangt. Zuletzt war am Nioghalvfjerdsfjorden-Gletscher auf Grönland ein 113 Quadratkilometer großes Stück Eis abgebrochen.

 

Forscher gehen davon aus, dass die Arktis inzwischen in ein neues Klimaregime eingetreten ist. Ein Team um Laura Landum vom National Center for Atmospheric Research in Boulder (US-Bundesstaat Colorado) hatte darüber zuletzt im Fachmagazin "Nature Climate Change" berichtet. Das bedeutet: Ungeachtet der jährlichen Variabilität hat sich die Arktis mittlerweile so stark erwärmt, dass die Temperaturen außerhalb der Grenzen vergangener Jahre lagen.

 

"Es ist eine Zeit so schnellen Wandels, dass die Beobachtungen vergangener Wettermuster nicht mehr zeigen, was man im nächsten Jahr erwarten kann. Die Arktis befindet sich bereits in einem völlig anderen Klima als noch vor wenigen Jahrzehnten", so Forscherin Landum. Selbst in einem ungewöhnlich kalten Winter werde es daher nicht mehr so viel Eis geben wie es noch in der Mitte des 20. Jahrhunderts der Fall gewesen sei.

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